Psychosoziales Risikomanagement

Psychosoziale Risiken entstehen häufig durch unangemessen Strukturen, unterdurchschnittliche Arbeitsgestaltung und -organisation sowie unprofessionelle Führung – aber auch durch ein schlechtes soziales Umfeld der Arbeit. Alles das kann und wird über die Zeit zu negativen psychischen, physischen und sozialen Folgen führen. Einige Beispiele für Arbeitsbedingungen, die zu psychosozialen Risiken führen, sind laut der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA):

  • übermäßige Arbeitsbelastung;
  • widersprüchliche Anforderungen und mangelnde Rollenklarheit;
  • mangelnde Beteiligung an Entscheidungen, die den Arbeitnehmer betreffen;
  • mangelnder Einfluss auf die Art und Weise, wie die Arbeit erledigt wird;
  • schlecht verwalteter organisatorischer Wandel;
  • unsichere Arbeitsplätze;
  • ineffiziente Kommunikation;
  • mangelnde Unterstützung durch Management, Führungskräfte und/oder Kollegenkreis;
  • Mobbing und sexuelle Belästigung; und
  • schwierige Kundinnen, Patienten, Schülerinnen usw.

Zu den negativen Auswirkungen für das Unternehmen gehören vor allem die schlechte Gesamtleistung des Unternehmens sowie erhöhte Fehlzeiten, aber auch Präsentismus (Arbeitnehmer, die krank zur Arbeit erscheinen und nicht in der Lage sind, effektiv zu arbeiten) und Absentismus (gewohnheitsmäßiges Fernbleiben vom Arbeitskontext), eine höhere Fluktuation sowie eine höhere Unfall- und Verletzungsrate. Abwesenheiten im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit sind in der Regel länger als Abwesenheiten aus anderen Gründen, und arbeitsbedingte Risikofaktoren sind ein wichtiger Faktor, der zu einer höheren Frühverrentungsrate beiträgt. Die geschätzten Kosten für Unternehmen und Gesellschaft sind erheblich und belaufen sich auf nationaler Ebene auf mehrere Milliarden Euro jährlich.

 

Was kann ich für Sie tun?

Sie haben vielleicht eine psychische Gefährdungsbeurteilung (GBU Psych) gemäß §§ 5 und 6 Arbeitsschutzgesetz erstellt oder erstellen lassen. Aber was kommt dann? Mit etwas Glück haben Sie eine professionelle Beratungsfirma erwischt, die prognostisch gesundheitliche Risiken ableiten kann. Das ist schon eine Menge. Doch eine prognostische Statistik arbeitet auf der Basis von Durchschnittswerten oder Summen. Das bedeutet, Sie können nicht für einzelne Teams, Führungskräfte angemessen spezifische Handlungsweisen ableiten, weil zu oft der Blick für individuelle Aspekte oder Teamperspektiven fehlt – ganz zu schweigen von der Führungsdimension oder sozialen oder persönlichen Problemen innerhalb von Teams.

Und selbst wenn Sie mit den erarbeiteten Werten für bestimmte Risiken zufrieden sind, wie leitet man dann sinnvolle Aktionspläne oder gar Interventionen ab, um Risiken zu mindern? Und welche Interventionen garantieren tatsächlich Lerntransfer in den Arbeitsalltag und erhöhen nicht einfach erwünschte Werte in Evaluationsfragebögen? Es gibt seit fast 15 Jahren ein europäisches Rahmenwerk, das bei der Grobplanung hilft (u.a auf Basis von 89/391/EEC) sodass Schweden, Dänemark, Großbritannien und Spanien konkrete Verordnungen für psychosoziales Risikomanagement erlassen haben.

Das Problem, konkret zielgerichtete Handlungspläne und Maßnahmen abzuleiten, wird dadurch jedoch nicht gelöst, wenn man sich von dem Gedanken leiten lässt, dass operativer Pragmatismus allein keine Besserung bewirkt. Denn was sind evidenzbasierte, hilfreiche Präventionsmaßnahmen für Ihre Organisation, für Ihr spezielles Thema? Wie hat man Erfolg und wer profitiert davon auf welche Weise? Was kosten Prävention oder Interventionen und welchen Wirkungsgrad haben sie in Bezug auf welche erwünschten und unerwünschten Effekte?
Bekannt ist mittlerweile, das nicht alles hilft, was gut klingt: z.B. bewirken achtsamkeitsbasierte Maßnahmen bei bis zu 25% der Praktizierenden unerwünschte, psychische Symptome (10.1016/j.brat.2021.103941), oder Meditation kann bei bis zu 8%  der Übenden unerwünschte psychische (Neben-)Wirkungen (10.1111/acps.13225) zur Folge haben. Und das nicht nur bei Menschen mit Vorerkrankungen, sondern bei allen Teilnehmenden zeigen sich adverse Effekte dieser Maßnahmen, die oft und gerne mit mentaler Gesundheit in Zusammenhang gebracht werden.

Auch Präventionsmaßnahmen, die Gewalt oder Vorurteile reduzieren sollen, beeinflussen zwar nachweislich die Einstellungen der Teilnehmenden, haben aber selten und wenig bis keinen Einfluss auf das Verhalten. Seit William Flemings Studie aus 2024 wissen wir, dass individuelle präventive Stressmaßnahmen wie Stressmanagement (Zeitmanagement, Massage, Meditation, Mental-Health-Apps etc.) kaum bis gar keinen Effekt haben, wenn nicht gleichzeitig strukturelle Maßnahmen auf organisationaler Ebene durchgeführt werden. Ausnahme sind die Wirkungen von Online-Coachings auf Job-Zufriedenheit und ehrenamtliche Tätigkeiten auf fast alle relevanten Zielvariablen wie Lebenszufriedenheit, Wohlbefinden und selbst eingeschätzte mentale Gesundheit.

Betrachtet man Publikationen über Interventionen zu betrieblicher Gesundheit bzw. mentale Gesundheit in Organisationen zeigt sich teilweise, dass die Rahmenwerke zwar bekannt sind und sogar teilweise angewendet werden. Oft jedoch wird schlicht der Baukasten eingekauft, den Weiterbildungsinstitute oder spezialisierte Beratende und Trainerinnen anbieten. Eine engagierte Evaluation gerade in Bezug auf Implementierungsqualität und den Lerntransfer erfolgt gar nicht oder wird sogar behindert, um die Investition in diese (BGM-)Maßnahmen zu schützen. Man weiß also nicht, ob und welche Wirkung die Seminare und Workshops haben.

Was genau bringt Meditation, Sport und Zeitmanagement, wenn die Führungskraft weiterhin das Team ausbeutet, zu wenig Personal eingestellt werden kann, weil der Eigentümer Homeoffice oder Betriebskindergarten doof findet oder einfach das Teamklima unterirdisch ist? Gesundheitspsychologie kann hier helfen, Bedarf (individuell oder für ganze Teams/Abteilungen) zu ermitteln, Intervention/Prävention zu planen und die Realisierung so zu evaluieren, dass nach wenigen Durchgängen eine maßgeschneiderte Lösungen umsetzbar ist, die dann – im besten Fall – sogar mit eigenen Inhouse-Consultants bzw. Inhouse-Trainerinnen (aus dem Kollegenkreis) autonom realisiert werden kann. Das erweitert nicht nur die Aufgabenfelder für vielseitig interessierte Mitarbeitende, es verankert das BGM nachhaltig im eigenen Haus und macht die Organisation unabhängig.