Lange hat es gedauert, bis Firmenlenker eingesehen haben, dass Fehlzeiten wegen chronischem Stress durch Überforderung, schlechte Arbeitsorganisation, hilflose Führung oder gar Mobbing und anderen psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz besonders kostspielig sind. Noch länger hat es gedauert bis Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden. Viele glauben noch heute, dass Druck und Angst ein wirksames Mittel dagegen sind. Aber auch die herbeigerufenen Experten und Berater müssen sich mit der Komplexität der jeweiligen Realität eingehender befassen: Denn es wird immer deutlicher, dass es wenig bringt, den/die einzelnen Arbeitnehmenden mit Stressmanagement, Achtsamkeit, Massagen und Resilienzprogrammen vollzustopfen – und zwar aufseiten der Mitarbeitenden und für die Organisation. Denn wer entstresst und vollkommen gegenwärtig den cholerischen Chef, die mangelnde Personaldecke oder die Arbeitsüberlastung fünf Tage die Woche erleben darf, wird in den seltensten Fällen gesund bleiben – auch mit diesen Maßnahmen. Die Organisationsebene sollte der eigentliche Dreh- und Angelpunkt eher organisationaler/struktureller Verbesserungen sein, wie eine Auswertung des Wellbeing Research Centre aus Oxford über 46.000 Teilnehmende nahe legt, die im Januar 2024 publiziert wurde. Individualmaßnahmen zeigen bei den wesentlichen Zielvariablen im Arbeitskontext wenig bis keine Auswirkungen – bis auf ehrenamtliche Aufgaben.
Stress – ein Weg das biopsychosoziale Modell des Menschen besser zu verstehen
Bisher arbeiten viele Disziplinen noch getrennt bei der Beschreibung und Erklärung der Lebenswelt von uns Menschen. Das ist besonders schade, wenn es darum geht, die seelischen Verletzungen und die Milliardenschäden durch (chronischen) Stress einzudämmen. Die bisher vorherrschenden Modelle von Stress und Gesundheit beginnen in der Regel mit einem stressigen Ereignis (Reiz), das einen Anfang und ein Ende hat, sodass bestenfalls eine Erholungsphase folgen kann. In vielen Modellen wird Stress vom Gehirn wahrgenommen, bewertet und löst Gefühle von Enge, Bedrängnis und negativen Emotionen aus. Diese wiederum begründen körperliche Stressreaktionen. Als gezielte Handlung wird dann die am besten geeignet scheinende Verhaltensweise gewählt, um sich an den Stressor anzupassen, zum Beispiel indem man ihn abschwächt, eliminiert oder irgendwie modifiziert. Forschende versuchen, die unterschiedliche Literatur über akuten Stress und affektive Zustände wie Emotionen und Motivation zu harmonisieren, um besser zu verstehen, wie affektive Zustände unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beeinflussen. Der wahrgenommene Stress beim Menschen unterscheidet sich jedoch von der übergeordneten Kategorie des Affekts, obwohl der negative Affekt eine wichtige Rolle bei der Konzeptualisierung und Messung des wahrgenommenen Stresses spielt. Die Überschneidung dieser psychologischen, biologischen und medizinischen Konstrukte ist so weit verbreitet, dass das Axiom in der akademischen Welt – Stress wird an medizinischen Fakultäten studiert, Emotionen an psychologischen Fakultäten – die Ähnlichkeiten betont und gleichzeitig die unterschiedlichen Ziele und Ansätze zur Untersuchung dieser affektiven Zustände hervorhebt. Es wird Zeit, auf der Grundlage des biopsychosozialen Modells neue Wege in der Beschreibung und Messung des Phänomens Stress zu gehen, in dem biografische, situationale, biologische, soziale und Aspekte der Dauer erhoben und bewertet werden…
Motivation: Intrinsisch oder internalisiert – Was ist praxisrelevant für Firmen und Führungskräfte?
Intrinsische Motivation gilt als Königsweg zu beruflichem und organisationalem Erfolg. Gemeint ist das Ausführen einer Handlung aus eigenem persönlichen Interesse und Freude an der Tätigkeit selbst. Das Gegenteil ist extrinsische Motivation. Dabei geht es nicht nur um Belohnung und Bestrafung. Es ist eine fein abgestufte Reihe von äußeren Verhaltensgründen, die wir teilweise selbst aktiv verinnerlichen können: Die unangenehmste Form ist äußerer Druck (Belohnung oder Bestrafung), etwas weniger schlimm ist innerer Druck wie Scham- und Schuldgefühle. Am meisten Eigenleistung ist bei der aktiven Einsicht aus nützlichkeits- oder wertebasierten Gründen zu finden. Letzteres wird auch als internalisierte Motivation beschrieben. Erkennbar ist sie an Empfindungen wie innerer Antrieb, Freude, Energie, Ausdauer oder tieferem Verständnis und Einsicht. Mit anderen Worten, eine Person beginnt, eine bestimmte Aktivität oder Einstellung aus verinnerlichten Gründen heraus zu verfolgen, weil sie das Verhalten oder die Einstellung nach reiflicher Überlegung als wichtig und sinnvoll ansieht, anstatt aufgrund von äußeren Anreizen gedrängt zu werden. Da der Büroalltag selten Freude an E-Mails, Meetings oder Abstimmungsprozessen selbst enthält, ist es Zeit diese Seite der Arbeit genauer unter die Lupe zu nehmen. Vor allem Führungskräfte und Organisationsentwickler können dabei wichtige Einsichten gewinnen.
30.000 Leute haben gewählt: 4 Maßnahmen gegen Personalmangel
Personalmangel ist in aller Munde, nur leider nicht im Kopf. Der Mangel an Wissen begründet die Abwesenheit von zielführenden Handlungen, um gegenzusteuern. Man kann das gut an den orientierungslosen Versuchen erkennen, Pflegekräfte oder Ärzte in der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu halten oder Erzieher:innen für Kitas zu gewinnen. Es erinnert an komplexe Würfelspiele mit faszinierten, aber unerfahrenen Spielern. Gegen die Unwissenheit hilft eine aktuelle weltweite Befragung zur Mitarbeiterzufriedenheit (Employee Experience Trends 2023). Von 30.000 Befragten gaben 57% an, mit der Vergütung und den Zusatzleistungen zufrieden zu sein (im Vergleich zum Vorjahr waren das 10% weniger!). Doch einige Faktoren sind viel entscheidender und vor allem deuten sie auf klare Verhaltensänderungen auf der Unternehmensführungsebene hin. Denn die Wirksamkeit von Merkmalen der Führungskräfte und Purposediskussionen wurde bisher deutlich überschätzt.
Künstliche Intelligenz und Gesellschaft: KI-Angst und KI-Kompetenz
Angesichts des aktuell überzogenen Hypes um künstliche Intelligenz auf der einen Seite und unbestreitbarem Nutzen in der Wissenschaft und Wirtschaft verursacht allein die Abkürzung KI bei vielen Menschen Angst. Doch neben Befürchtungen vor Arbeitsplatzverlust oder gesellschaftlichen Risiken in einigen Teilen der Bevölkerung ist bei Firmen eine ganz andere Angst entstanden: Können unsere Mitarbeitenden KI überhaupt präzise bewerten oder gar einsetzen? Neue Technologien auf Risiken und Chancen abzuklopfen, erfordert objektive und subjektive Kriterien. Die psychologische Forschung zu wahrgenommenen KI-Ängsten und KI-Kompetenzen ist noch jung, aber sehr aktiv. Wir werfen einen Blick unter die Motorhaube der aktuellen Wirkungsforschung rund um KI: Denn Bildungsverantwortliche, Personaler (HR) sowie medialer und gesellschaftlicher Diskurs brauchen feste Fundamente unter die KI-Diskussionen. Hoffen wir, dass mithilfe dieser Fragebögen die Abteilungsmeetings und Talk-Shows künftig ein bisschen näher an die Realität heranrücken…
Produktivität messen von Angestellten, die mit generativer künstlicher Intelligenz arbeiten – Forschung (miss)verstehen
Am 7. März 2023 hat Josh Bersin, ein selbst ernannter HR-Influencer, ein vorläufiges Forschungspaper von MIT-Doktoranden zum Thema Produktivität von studierten Angestellten zusammengefasst: Es geht um Produktivitätssteigerungen durch generative KI, in diesem Fall ChatGPT, bei alltäglichen Arbeiten für Leute, die beruflich genau solche Texte erstellen müssen. Das Paper hat noch nicht den peer-review-Prozess durchlaufen, ist also quasi noch ohne Verbesserungen von erfahrenen Forschenden. Einen Tag später hat dann der selbst ernannte Netzökonom Holger Schmidt eine leicht geänderte deutsche Version dieses Blogposts unter seinem Namen veröffentlicht, ohne auf Bershin zu verweisen. Beide Autoren haben die Studie entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. Sie enthält grundlegende Fehler: der schlimmste ist die Art wie untersucht wurde! Das kommt davon, wenn unerfahrene Leser Preprints in die reichweitengierigen Hände bekommen (english version below)
Synthetische Psychologie, um künstliche Intelligenz & Robotik und den menschlichen Umgang damit zu erforschen
Intelligente Maschinen (KI und Roboter) können nicht mehr allein als Produkte der Technik, Mathematik und der Informatik betrachtet werden. Denn sie stellen eine neue Klasse von (gesellschaftlichen) Akteuren mit eigenen Verhaltensweisen und einem eigenen Ökosystem mit hoher kultureller Relevanz dar. Im Umgang mit Menschen sollte dabei deren maschinelles Verhalten beschrieben, erklärt und möglichst vorhersagbar werden. Der finale Entwurf der europäischen KI-Verordnung (AI-Act) hat mit seinen verschiedenen Risikoklassen für Aufsehen gesorgt. Das Bewerten solcher Risiken kann nur erfolgen, wenn es als synthetisches Verhalten verstanden und überprüfbar wird. Denn künstliche neuronale Netze im maschinellen Lernen realisieren Informationsverarbeitung auf Basis unseres Verständnisses von Hirnleistungen. Wir bauen (synthetisieren) Denkvorgänge nach. Dabei wird eine neue Disziplin helfen, die man synthetische Psychologie taufen sollte. Denn Kognition (geistige Verarbeitung und Steuerung) passiert jetzt mehr nicht nur im menschlichen Gehirn: Da Software nunmehr in der Lage ist, (Sinnes-)Daten zu verarbeiten, zu gewichten und nach einer Zielvorgabe einzuordnen, sogar Entscheidungen zu fällen oder zumindest vorzubereiten. Die Frage ist nur: Wie, mit welchem Training und was sind erwünschte Ziele und unerwünschte Effekte??
Produktivität steigern – Stress reduzieren mit der einfachsten Organisationsentwicklung der Welt: Zeit
„Senken der Krankheitstage um über 60%. Über 70% Reduktion von Burnout. 40% der Teilnehmenden schläft besser! Kündigungsrate wurde um 50% gesenkt.“ Wenn Sie so etwas als Organisationsentwicklungsmaßnahme oder betriebliche Gesundheitsförderung verkaufen wollen, tippen sich alle an den Kopf, die das Metier kennen. Solche Zahlen schaffen sie mit keiner bekannten Maßnahme über eine ganze Firma oder gar mehrere Branchen hinweg. Halt! Eine unbeugsame Maßnahme gibt es doch, die das schafft. Das zeigen die jetzt veröffentlichten Ergebnisse einer sechsmonatigen Studie in England zur Vier-Tage-Woche mit über 2900 Mitarbeitenden in 61 Firmen von der Bank bis zum Schnellrestaurant, davon führen 56 Firmen die Maßnahmen weiter: Denn die Vier-Tage-Woche wirkt stärker als alle bekannten organisationsweiten Maßnahmen der letzten 50 Jahre bei überall gleichbleibender und in einigen Bereichen sogar steigender Produktivität. Begleitet und ausgewertet wurde das gesamte Projekt durch Wissenschaftler um die Arbeitszeit-Expertin Prof. Juliet Schor und Prof. Wen Fan (beide Boston), die nicht nur zu Beginn Trainings und Workshops gaben, um begleitend Hilfestellungen zu geben. Die Entwicklungen des Projekts 4dayweek global wurden sowohl qualitativ (Prof. Frayne & Prof. Burchell aus Cambridge) als auch quantitativ (Schor & Fan) dokumentiert und empirisch ausgewertet.
Fräulein KI, zum Diktat! Wie präzise und sensibel reagieren die drei bekanntesten KI-Schreibhelfer
Drei neue intelligente Schreibautomaten haben vor kurzem das Licht der medialen Öffentlichkeit erblickt. Und schon erobert generative künstliche Intelligenz viele Büros, Klassenzimmer und Redaktionen. Was können die Lösungen? Wie gehen sie mit strittigen Fragen um? Ein Vergleich dreier KI-Helfer, die jedermann zum Schreiben von Bewerbungen, Hausaufgaben oder Texten für die eigene Website nutzen kann.
3 Test-Tools, um Texte auf KI-Herkunft zu untersuchen
Seit Ende 2022 sind einige generative KI-Werkzeuge (Schreibautomaten) für die Öffentlichkeit zugänglich wie etwa ChatGPT oder Aleph Alpha. Lehrende oder Personaler würden gerne testen, ob eingereichte Dokumente Inhalte enthalten, die KI erstellt hat. Jetzt gibt es dazu Helferlein: Englische KI-Texte werden mit den drei getesteten Tools gut erkannt, deutsche Texte sind nur bei zweien nutzbar. Ein Werkzeug liefert schon ganz brauchbare Ergebnisse.